Ute Götz

Sa. 08.12. u. So. 09.12.2007- Jeweils von 14.00-18.00 Uhr

Kleine Könige

Arbeiten Ute Goetz

Ute Götz studierte von 1987 bis 1991 an der HfBK in Hamburg bei F.E. Walther und stellt seit 1986 regelmäßig ihre Bilder aus. Sie lebt und arbeitet als Künstlerin in Berlin-Kreuzberg und ist als Pädagogin und Künstlerin an einer Gesamtschule in Hamburg tätig.

Ute Götz gehört zu den Künstlern, die den Einwand riskieren: "Das kann doch jedes Kind!" Wer wie sie eine ästhetische Richtung einschlägt, die darauf verzichtet, für kunsthandwerkliches Können den Beifall von Banausen zu erheischen, wer die Leichtigkeit des Seins ganz und gar nicht unerträglich findet, sondern aller Bedeutungsschwere vorzieht, wer also Kind geblieben ist im besten Sinne des Wortes und dadurch mit Farben, Formen, Materialien unmittelbar schöpferisch umzugehen versteht, der kann jenem Einwand nur zustimmen. "Ja, das kann jedes Kind", erwiderte schon Picasso auf denselben Spruch, "– aber erst, nachdem ich es gemacht habe."

Kleine Koenige


Wer sich als Erwachsener einmal tatsächlich der Übung aussetzt, die Handschrift oder den Malstil eines Kindes zu imitieren, begreift sofort, welcher Aufgabe Ute Götz sich widmet: der Menschheitsaufgabe, die verlorenen Paradiese wiederzufinden. Was wir Kindern noch nicht verraten, um ihre zarten Seelen zu schützen: dass es "das Paradies" nicht gibt, ist eine Wahrheit, die sich mit dem Älterwerden auf merkwürdige Art selbst widerlegt. Es gibt das Paradies – nicht nur eines, sondern viele, aber sie werden dazu erst in dem Moment, da wir sie rückblickend, als verlorene, in der Reflexion auf den unreflektierten Zustand der Kindheit erkennen.

Genau hier, in der reflektierten Zurücknahme der Reflexion, setzen die Bilder von Ute Götz an. Mit ihrem aktuellen Zyklus "Kleine Könige" führt sie in bemerkenswerter Konsequenz weiter, was sie vor Jahren mit einer Gummibären-Werkreihe begann: Urformen kindlicher Gestaltwahrnehmung seriell und doch immer wieder neu zu reproduzieren – ohne Hintersinn und gerade dadurch von vorschulischer Eindringlichkeit. Auch die Materialien entnimmt sie Grundinventar der Vorschule. Waren es in der ersten Werkphase Teddybär-Stanzformen, mit denen sie verschiedenfarbige Knetgummi-Figuren auf der Leinwand wie auf einem Kuchenblech verteilte, sind die "Kleinen Könige" mit Bunt-, Wachsmal- und Filzstiften auf Tapete gezeichnet. Die Formen sind maximal reduziert: eine Krone aus drei Zacken, darunter ein Kopf-Körper aus einem Kreis, daran anschließend zwei Beine aus einem umgekehrten V. Minimalistischer kann ein König schlechterdings nicht gezeichnet werden.

Und doch ist die Ausdruckskraft der schlichten Figuren das ganze Gegenteil von Minimal Art. Die kleinen Tapeten-Könige vibrieren vor Lebendigkeit. Woran das liegt, ist gar nicht so leicht zu entscheiden. Denn sobald man ein Grundelement dieser vermeintlichen Einfachheit zu fassen versucht, erweist es sich als unerschöpflich komplex: Die Farbaufträge zerfallen – gerade weil sie wie mit Kinderhand gemalt sind – in eine Vielzahl von Pigmenten und Strukturmustern; die Silhouetten wirken trotz (oder wegen?) ihrer primitivistischen Gestalt niemals stereotyp, sondern höchst individuell; und das Zusammenspiel mit den Tapetenmustern, dem Inbegriff serieller Fabrikation, ergibt immer wieder aufs Neue Konstellationen, die so stimmig sind, dass alles Beliebige, jeder Gedanke, es könne auch anders sein, aus ihnen schwindet.

Man kommt nicht hinter das Geheimnis dieser kleinen Könige, obwohl sie doch so ganz und gar nicht hermetisch verklausuliert vor uns stehen, keine kunstehrfürchtige Distanz heischen, sondern zur haptischen Berührung ihrer profanen Medialität geradezu einladen.
Entwicklungspsychologen erkennen natürlich in den kleinen Königen das "Kopffüßler"-Schema, wie es für das kindliche Malen auf der Stufe von Drei- bis Vierjährigen typisch ist. Können Sie uns also das Geheimnis lüften?

Trotz einer umfangreichen und spekulationsfreudigen Fachliteratur zum Thema ist es ihr bisher nicht gelungen, eine tragfähige Theorie des Phänomens zu liefern. Nahezu jedes Kind malt in jenem Entwicklungsstadium Menschen als Kopffüßler, doch die Kinder sind schlicht zu klein, um aus ihnen herauszufragen, warum sie den Rumpf nicht daruntersetzen. "Wo ist denn der Bauchnabel?", lautet dann eine Psychologenfrage. Das Kind überlegt eine Weile und zeichnet dann einen Punkt. Zur Verzweiflung der Wissenschaftler aber ist dieser Punkt mal im Gesicht lokalisiert (was bedeuten würde, dass der Kopfkreis den Rumpf mit einschließt), mal zwischen den Beinen (was wiederum bedeuten würde, dass dem nicht so ist).
Dass es eine Lösung für das Rätsel gibt, ist so evident wie die bildliche Existenz der kleinen Könige. Ihnen hat Ute Götz die Lösung einverleibt – in der Form eines Rätsels, vor dem wir insistieren, solange wir leben. Wer ihre Werke genau betrachtet, wird viel darüber erfahren, wo wir herkommen und wohin wir uns sehnen.

Univ.-Prof. Dr. Peter Matussek
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

Sa. 08.12. u. So. 09.12.2007- Jeweils von 14.00-18.00 Uhr
KUNSTPUNKT – Produzentenraum